D.A.S. Stichwort des Monats Oktober: Umziehen als Arbeitszeit?

Sind Umkleidezeiten von Arbeitnehmern Arbeitszeit?

Das Arbeitszeitgesetz definiert die Arbeitszeit als den Zeitraum von Beginn bis Ende der Arbeit, ohne Ruhepausen. Nur: Was gilt alles als Arbeit? Umstritten ist oft, ob so-genannte Rüstzeiten sowie Umkleidezeiten der Arbeitnehmer zur bezahlten Arbeitszeit gehören. Rüstzeiten sind Zeiten, die der Arbeitsvorbereitung dienen – etwa das Aus-rüsten einer Maschine für den Produktionsprozess oder das Ausrüsten eines Fahrzeuges für einen Montageeinsatz. In verschiedenen Branchen ist jedoch auch eine bestimmte Arbeitskleidung zu tragen – etwa weil Schutzkleidung vorgeschrieben ist oder der Arbeitgeber eine bestimmte Dienstkleidung wünscht. Wann das Umziehen als Arbeitszeit gilt, ist je nach Branche unterschiedlich. Regelungen können in Arbeits- und Tarifverträgen getroffen werden. Die D.A.S. Rechtsschutzversicherung stellt drei Urteile zum Thema „Rüst- und Umkleidezeiten“ vor.

Fall 1: Krankenschwester: Umkleidezeit bei vorgeschriebener Arbeitskleidung
Eine Münchner Krankenschwester war im OP-Dienst tätig. Sie musste jeden Tag bei Arbeits-beginn zunächst in einem speziellen Umkleideraum im Tiefparterre des Krankenhauses die vorgeschriebene Dienstkleidung anlegen. Danach musste sie sich in den OP-Bereich begeben, dort sogenannte Bereichskleidung anziehen und sich die Hände desinfizieren. Weder Dienst- noch Bereichskleidung durften mit nach Hause genommen werden. Als Arbeitszeit galt nur die Zeit der eigentlichen Tätigkeit im OP. Die Krankenschwester klagte nun auf Bezahlung von zwei mal 15 Minuten Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeit pro Arbeitstag und berief sich dabei auf eine schon länger zurückliegende betriebliche Praxis. Der Tarifvertrag enthielt keine Regelung für die Umkleidezeiten.
Das Bundesarbeitsgericht hielt fest, dass Arbeit jede Tätigkeit sei, die der Erfüllung eines fremden Bedürfnisses diene. Dazu gehöre auch das Umkleiden, wenn der Arbeitgeber eine bestimmte Berufskleidung vorschreibe und das Umkleiden im Betrieb stattfinden müsse. Da-zu komme hier noch, dass das Umkleiden in erster Linie der Hygiene im OP diene und damit dem Interesse des Arbeitgebers. Die Wegezeit zwischen Umkleideraum und Arbeitsstelle sei ebenfalls Arbeitszeit. Die Klägerin habe Anspruch auf Entlohnung für die Umkleide- und Wegezeiten. Die Pauschalierung dieser Zeiten auf zwei Mal 15 Minuten sei jedoch vom Arbeitgeber erfolgreich angegriffen worden. Hier müsse die Vorinstanz – ggf. mit Hilfe eines Sachverständigen – feststellen, wie viel Arbeitszeit tatsächlich zusätzlich anfalle.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.09.2012, Az. 5 AZR 678/11

Fall 2: Umkleide- und Rüstzeit bei Lokführern
Ein Lokführer zog sich jeden Tag zunächst an der Arbeitsstelle um, da er Dienstkleidung und benötigte Geräte in einem Spind an der Arbeitsstelle aufbewahrte. Danach begab er sich in den sogenannten Melderaum, um Dienstanweisungen entgegenzunehmen. Erst hier begann nach Ansicht des Arbeitgebers die Arbeitszeit. Der Lokführer klagte nun auf Anrechnung von weiteren sieben Minuten für jeden Umkleide- und Aus- bzw. Abrüstungsvorgang. Diese Zeitspanne stammte aus einer Einigung von Arbeitgeber und Betriebsrat vor der Einigungsstelle, in der die sieben Minuten Rüst- und Umkleidezeit jedoch weder als Arbeitszeit noch als Freizeit, sondern als unbezahlte „Übergangszeit“ bezeichnet wurden. Von Arbeitgeberseite war es nicht vorgeschrieben, Dienstkleidung und benötigte Gerätschaften wie das Diensthandy im Spind an der Arbeitsstelle zu deponieren. Diese konnten auch mit nach Hause genommen werden, was unter den Kollegen teilweise auch so praktiziert wurde. Arbeits- oder tarifvertragliche Regelungen zu den Rüst- und Umkleidezeiten gab es nicht.
Das Gericht lehnte hier einen Vergütungsanspruch für diese Zeiten ab. Die Vereinbarung vor der Einigungsstelle besage gerade, dass keine Vergütung gezahlt werden solle. Eine eventuelle Unwirksamkeit der Vereinbarung führe nicht zu einem Anspruch des Arbeitnehmers. Für die Betriebsüblichkeit sei hier in erster Linie der Tarifvertrag maßgeblich, der gerade bei der Bahn akribisch jede Kleinigkeit regele. Dieser enthalte keine Regelung, die einen solchen Anspruch des Arbeitnehmers stütze. Auch aus den gesetzlichen Regelungen lasse sich ein solcher Anspruch hier nicht ableiten.
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25.09.2012, Az. 5 Sa 275/11

Fall 3: Einheitliche Firmenkleidung im Einrichtungshaus
In einer Kette von Einrichtungshäusern existierte eine „Staff-Clothing-Order“, nach der für das Personal mit Kundenkontakt Kleidung in bestimmten Farben und mit einem bestimmten Schnitt vorgeschrieben war. Dies war durch eine Betriebsvereinbarung abgesichert. Die Arbeitnehmer konnten sich sowohl zu Hause als auch in Umkleideräumen im Betrieb umziehen. Als die Arbeitgeberin erfuhr, dass einige Arbeitnehmer sich nach Arbeitsende erst nach dem Umkleiden am Zeiterfassungssystem abmeldeten, wurden diese entsprechend ermahnt. Der Betriebsrat leitete daraufhin ein gerichtliches Feststellungsverfahren ein, um festzuhalten, dass das An- und Ausziehen der Berufskleidung zur Arbeitszeit gehöre. Auch stehe dem Betriebsrat hier ein Mitbestimmungsrecht zu – der Arbeitgeber könne nicht eigenmächtig Beginn und Ende der Arbeitszeit ändern.
Das Bundesarbeitsgericht erklärte, dass Umkleidezeiten dann zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gehörten, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis diene und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfülle. Das Anziehen vorgeschriebener Dienstkleidung sei dann keine Arbeitszeit, wenn sie auch zu Hause angezogen und – ohne besonders aufzufallen – auch auf dem Weg zur Arbeit getragen werden könne. Die Firmenkleidung sei hier blau und hellgelb und weise große Firmenlogos an verschiedenen Stellen auf. Von unauffälliger Kleidung könne somit keine Rede sein. Das Tragen sowie das An- und Ausziehen der Kleidung sei rein fremdnützig. Das Umkleiden im Betrieb zähle zur Arbeitszeit. Mit der Anweisung, sich außerhalb der registrierten Anwesenheitszeit umzuziehen, habe der Arbeitgeber eigenmächtig Beginn und Ende der Arbeitszeit geändert. Eine solche Änderung sei mitbestimmungspflichtig.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 10.11.2009, Az. 1 ABR 54/08
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