Goldschmiedekunst im Mittelalter

Verehrung, Glaube, Überzeugung und die kunstschöpferische Entstehung von Reliquiaren aus edlen Metallen – künstlerische Bedeutung und Geschichte der Reliquiare – Diskussionsbeitrag von BWF-Stiftung, Berlin

Goldschmiedekunst im Mittelalter

Goldschmiedekunst im Mittelalter – Diskussionsbeitrag der BWF-Stiftung, Berlin

„Die Verehrung von Reliquien, der Kampf um ihren Besitz und die Verfertigung kostbarer Reliquiare sind Ausdruck der Sehnsucht, an einer höheren Form der Existenz als der eigenen, unzulänglichen teilzuhaben. Die Bevölkerung, die Machthaber und die Mächtigen verehrten Reliquien, um sich der magischen Kraft zu versichern, die man noch im Leichnam eines wundertätigen Menschen und der Dinge, die mit ihm in Berührung gekommen waren“, so der Kunsthistoriker, Fachmann für Goldschmiedekunst im Mittelalter und eingeladener Referent zur Veranstaltung der Berliner Wirtschafts- und Finanzstiftung (BWF-Stiftung). Herr Detlef Braumann, Vorstand der BWF-Stiftung begrüßt alle eingeladenen Teilnehmer in den Räumlichkeiten der BWF-Stiftung, Königsweg 3d in Berlin zum Thema: „Goldschmiedekunst im Mittelalter – Reliquien in ihren kostbaren Gehäusen – Geschichte und Kult.“

Reliquienkult: Entstehung, Faszination und Darstellung durch Reliquiare

Der Referent einführend: „So wie sich altägyptische Städte rühmten, Reliquien des Osiris zu besitzen, der Buddhismus für acht wirkliche Haare Buddhas, die märchenhafte Pagode von Rangoon errichtete, der Islam in der Moschee von Lahore eine große Sammlung von Reliquien anlegte, Napoleon sich den Talisman Karls des Großen schenken ließ, so kennt auch das vergangene Jahrtausend einen säkularisierten Reliquienkult. Täglich zogen Tausende Menschen in stummer Verehrung oder Neugier am einbalsamierten Leichnam Lenis im Kreml-Mausoleum vorüber. Selbst Hitlers Kult mit der Blutfahne war eine Anleihe bei der Reliquienverehrung der großen Religionen und sollte magische Kräfte freisetzen, mit denen man Traditionen begründete.“ Die Frage besteht darin, was das Gefühl entstehen lässt, dass man ohne solche Unterpfänder nicht glaubwürdig sei und als Zeichen hierfür Reliquien entstehen? Der Referent erläutert, dass für Reliquien, die man für Erinnerungsstücke an Christus und die Heiligen hielt, eine so unschätzbar große Zahl kostbarer Reliquiare geschaffen wurde, ist charakteristisch für ein Zeitalter, in dessen ganzheitlichem Denken alle Lebensbereiche ihren Platz im christlichen „ordo salutis“ hatten, alles Geschehen Teil der Heilsgeschichte war.

Kostbare Gehäuse – Goldschmiedekunst Blütezeit

Die Reliquien haben in ihren kostbaren Gehäusen, den Reliquiaren für das Mittelalter eine umfassende Realität besessen. Die Reliquiare haben die Menschen vom Sichtbaren über seine Verklärung bis zur Ahnung des Unsichtbaren geführt. Der Historiker gibt zu bedenken, dass nicht nur die künstlerische Bedeutung der Reliquiare eine maßgebliche Rolle gespielt hat. Des Weiteren darf auch das Wissen um die Empfindung Ungezählter, die sich mit ihnen verbunden haben, die Impulse, die von ihnen ausging, das Gute, das sie auslösten, der Missbrauch, der mit ihnen betrieben wurde, kurz die Rolle, die sie im Leben der Menschen gespielt haben nicht außer Betracht gelassen werden. Dies rechtfertigt auch heute noch eine intensive Beschäftigung mit der Geschichte des Reliquienkults.

Der Referent führt hierzu einen Auszug von Romano Guardini an:
„Um das Wesen des Mittelalters richtig zu sehen, muss man sich von jenen polemisch bestimmten Wertungen freimachen, die in der Renaissance und Aufklärung entstanden sind und sein Bild bis in unsere Zeit hinein verzerren – freilich aber auch von den Verherrlichungen der Romantik, welche dem Mittelalter einen geradezu kanonischen Charakter gegeben und manch einen gehindert haben, in ein unbefangenes Verhältnis zur Gegenwart zu kommen.

Vom neuzeitlichen Weltgefühl her beurteilt, erscheint das Mittelalter leicht als ein Gemisch von Primitivität und Fantastik, Zwang und Unselbstständigkeit. Dieses Bild hat aber mit geschichtlicher Erkenntnis nichts zu tun. Der Maßstab, an welchem eine Zeit allein gerecht gemessen werden kann, ist die Frage, wie weit in ihr, nach ihrer Eigenart und Möglichkeit, die Fülle der menschlichen Existenz sich entfaltet und zu echter Sinngebung gelangt. Das ist im Mittelalter in einer Weise geschehen, die es den höchsten Zeiten der Geschichte zuordnet.“

Reliquien: Macht und Machtausübung – Schwüre auf Heiligtümer

Der Referent verdeutlicht an Beispielen die Machtausübung im Mittelalter. „Da nehmen wir beispielsweise eine der wichtigsten Szenen des berühmten Teppichs von Bayeux. Dieser zeigt eine feierliche Eidesleistung in der Kathedrale der Stadt. Harald, Earl of Wessex, erkennt Wilhelm, den Herzog der Normandie, als seinen Lehnsherrn an. Zwischen zwei Schreinen stehend, berührt der Vasall mit zwei Fingern der rechten Hand und der ausgestreckten Linken die Reliquiare, andeutend, dass er beim Kostbarsten schwört, worauf sich schwören ließ: den Reliquien, Unterpfändern der Heiligen, in ihren goldenen, den Himmel widerspiegelnden Wohnungen“, so der Referent. Weiteres Beispiel: „Bei der Überführung der Gebeine der Heiligen Drei Könige aus Mailand nach Köln, dem Bischofssitz Rainalds von Dassel, Erzkanzlers des Reiches und Palladins Friedrichs I., im Jahre 1164 ist eines der wichtigsten Ereignisse der imperialen Geschichte des Mittelalters. Friedrich Barbarossa selbst kam am 6. April 1187 nach Augsburg, um mit drei Bischöfen den Reliquienschrein des Heiligen Udalrich in die neu erbaute Ulrichskirche zu tragen. Von der Heiligen Elisabeth erzählt die Legenda Aurera, dass sich die Menschen nach ihrem Tode Teile ihres Gewandes aneigneten, Haare von ihrem Haupte schnitten, um diese Erinnerungsstücke als große Heiligtümer zu bewahren“, so der Referent über die Geschichte der Reliquien in Deutschland.

Fazit: Reliquienverehrung mit mächtiger Ausstrahlung – Sielungen und Klosteranlagen entstehen dadurch

Solch eine Verehrung der Reliquien beim wundergläubigen Volk, den Klöstern und dem Kaisertum führte im Mittelalter zur Gründung unzähliger Kirchen und zur Anlage von Siedlungen. Man maß die Bedeutung der Städte am Rang der Reliquie, die ihre Gotteshäuser als Palladium der Bürger bewachten. Die Verehrung der Reliquie löste nicht nur die Entstehung zahlreicher kostbarer Reliquiare, sondern darüber hinaus ganze Bildprogramme und Wechselbezüge zwischen Heiligtum und Heiligendarstellung aus. Die Goldschmiedekunst blüht weiterhin. In der anschließenden Diskussion werden weitere Bilder von alten und sehr, sehr wertvollen Reliquien vorgestellt und erläutert. Die BWF-Stiftung (Trägerschaft Bundes Deutscher Treuhandstiftungen e.V.) bedankt sich und wird dem Wunsch nach weiteren geschichtlichen und kunsthistorischen Veranstaltungen zeitnah nachkommen.

V.i.S.d.P.:
Dipl.-Kfm. Oliver Over

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