Koalitionsvertrag – Mutmaßliche Auswirkungen auf das Arbeitsrecht

. Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.

Der Koalitionsvertrag liegt vor: Mutmaßliche Auswirkungen auf das Arbeitsrecht. Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.

Vorliegend lesen Sie Teil 1 einer Artikelserie zum Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD. Die Fortsetzungen erscheinen in loser Folge in den nächsten Wochen.

Serie Teil 1:

1. Rentenversicherungspflicht im Bereich der Minijobs
2. Ausweitung des Geltungsbereichs des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes
3. Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung nach dem Tarifvertragsgesetz
4. Mindestlohn in Höhe von 8,50 EUR zum 1.1.2015

SPD und CDU haben ihren Koalitionsvertrag unter der Überschrift „Deutschlands Zukunft gestalten“ geschlossen. Dieser enthält zwar nur allgemeine Aussagen und noch keine konkreten Gesetzesentwürfe. Trotzdem lassen sich konkrete Tendenzen und Erwartungen an die Tätigkeit des Gesetzgebers ableiten. Zu den wichtigsten Punkten nehme ich nachfolgend Stellung:

1. Der Koalitionsvertrag zur Rentenversicherungspflicht im Bereich der Minijobs

Im Bereich der geringfügig Beschäftigten will die Große Koalition das Recht zu Befreiung von der Rentenversicherungspflicht abschaffen. Hintergrund: bislang gilt für geringfügig entlohnte Beschäftigungsverhältnisse, die vor dem 1.1.2013 aufgenommen wurden und deren Arbeitsentgelt maximal 400 Euro beträgt, Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung für den Arbeitnehmer. Nur der Arbeitgeber zahlt einen Pauschalbeitrag zur Rentenversicherung in Höhe von 15 % des Arbeitsentgelts. Der volle Beitrag zur Rentenversicherung beträgt allerdings 18,9 %. Bisherige Folge: der Minijob erwirbt nur anteilige Beitragsmonate für die Erfüllung der Wartezeitmonate. Auch das erzielte Arbeitsentgelt wird nur zu einem entsprechenden Teil bei der Berechnung der späteren Rente berücksichtigt. Die Folge: Altersarmut.

Des Weiteren soll der Missbrauch der gewerblichen Minijobs gestoppt und eine Umgehung des Arbeitsrechts unterbunden werden. Es kann derzeit noch nicht genau gesagt werden, welche konkreten gesetzlichen Regelungen die Folge sein werden.
Die Zielrichtung ist allerdings klar. Nachdem man in Jahren der vergleichsweise schlechten Beschäftigungssituation gerade durch Minijobs mehr Menschen in Arbeit bringen wollte, soll dem Trend zum Minijob entgegengewirkt werden. Das Ziel lässt sich leicht dadurch erreichen, dass man den Minijobs ihre Attraktivität nimmt. Ich glaube allerdings nicht, dass man hier allzu forsch vorgehen wird, da die Folgen für den Arbeitsmarkt schwer absehbar sind. Schärfere Kontrollen hinsichtlich des Missbrauchs werden wie so häufig an der mangelnden finanziellen Ausstattung der Kontrollbehörden scheitern.

Vorläufiges Fazit: Umsetzung unklar, vermutlich lediglich Absichtserklärungen. Wenn die Abschaffung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht erfolgt, wird sich das Thema Minijob vermutlich erledigen. Ob dadurch mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, muss abgewartet werden.

2. Der Koalitionsvertrag zur Ausweitung des Geltungsbereichs des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes

Der Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendungsgesetzes soll auf alle Branchen erstreckt werden. Das dürfte wohl lediglich eine Umsetzung der europarechtlichen Regelungen in nationales Recht darstellen, da bereits bislang umstritten war, ob nicht die europäische Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern (Richtlinie 96/71/EG) eine solche Ausweitung des Geltungsbereiches ohnehin zwingend erforderlich macht.

Vorläufiges Fazit: Zwangsläufige Regelung.

3. Der Koalitionsvertrag zur Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung nach dem Tarifvertragsgesetz

Bisherige Lage: Tarifverträge konnten dann für allgemein verbindlich erklärt werden, wenn die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigt haben. An dieser Hürde sind viele Allgemeinverbindlichkeitserklärungen gescheitert.

Nunmehr soll das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Tarifvertrages ausreichen. Ein solches soll insbesondere dann bejaht werden, wenn die Funktionsfähigkeit der Sozialkassen gesichert werden soll, die Allgemeineverbindlichkeitserklärung die Effektivität der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftliche Fehlentwicklungen sichert oder die Tarifvertragsparteien eine Tarifbindung von mindestens 50 % glaubhaft darlegen.

Vorläufiges Fazit: Eine Ausweitung der Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen erscheint sinnvoll, um eine einheitlichere Bezahlung sicherzustellen. Die Kriterien wirken aber sehr schwammig.

4. Der Koalitionsvertrag zum Mindestlohn in Höhe von 8,50 EUR zum 1.1.2015

Es soll ein allgemein verbindlicher gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden. Auf die Höhe haben sich die Koalitionspartner nun doch noch geeinigt: 8,50 EUR zum 1.1.2015 (davon unberührt Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz).

Ausnahmen: bis zum 30.12.2016 kann durch Tarifverträge repräsentativer Tarifpartner auf Branchenebene von der Mindestlohnregelung abgewichen werden. Ab dem 1.1.2017 gilt das bundesweite gesetzliche Mindestlohnniveau ohne Einschränkung.

Regelmäßige Überprüfung der Höhe durch eine Mindestlohnkommission: Die Höhe des Mindestlohns soll in regelmäßigen Abständen von einer Kommission der Tarifpartner festgelegt und anschließend über eine Rechtsverordnung staatlich erstreckt und damit allgemeinverbindlich erklärt werden.

Vorläufiges Fazit: Eine der wenigen eindeutigen und klaren Regeln. Der Mindestlohn kommt mit Sicherheit.

Die Serie wird fortgesetzt.

27.11.2013

Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin

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