„Meine Kunst will nicht nur schön sein – meine Kunst soll wehtun“

Dana Pandici, Jahrgang 1967, lebt als freischaffende Künstlerin in der Nähe von Heidelberg. Die gebürtige Rumänin ist nicht auf Genres oder Techniken festgelegt – sie fotografiert, malt, fertigt Skulpturen und schneidert. Mit Barbara Imgrund hat sie über sich und ihre Kunst gesprochen.

"Meine Kunst will nicht nur schön sein - meine Kunst soll wehtun"

Drahtskulptur fuer den oesterreichischen St. Leopold Friedenspreis in Stift Klosterneuburg 2014, Wettbewerb

Barbara Imgrund: Frau Pandici, bei dem angesehenen Wettbewerb „La tua arte nel sociale“ (Deine Kunst im sozialen Leben), den die römische Galerie Il Collezionista ausgelobt hatte, haben Sie im Dezember 2013 mit zwei Fotografien den 3. Preis gewonnen. Dabei war die Konkurrenz groß: 1.050 Künstler hatten ihre Werke eingereicht. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung!

Dana Pandici: Vielen Dank.

B.I.: Ihre beiden Fotografien evolution – the madonna of the future und human trafficking aus der Serie Being alive is a privilege – human dignity against cynicism wirken fast wie ein Schlag ins Gesicht. Beide Male ist es dieselbe Frau, die unbewegt vor schwarzem Hintergrund in die Kamera blickt – einmal mit einem blutigen Schafskopf im Schoß, das andere Mal nackt und mit roten Bändern gefesselt. Letzteres Bild wurde übrigens auch auf der Biennale vom 18. bis 27. Januar 2014 in Rom ausgestellt. Ihre Kunst soll wehtun, oder?

D.P.: Ich hoffe doch. (Lacht.) Aber im Ernst: Ja, ich möchte den Finger in die Wunde legen. Ich will nicht den schönen Schein, sondern das hässliche Gesicht der Realität zeigen. Mit den roten Fesseln in human trafficking meine ich zum Beispiel nicht nur Prostituierte – auch andere Frauen müssen sich verkaufen. Ich kenne genug Thaifrauen, die von ihren westlichen Ehemännern per Katalog bestellt wurden. Wenn das Ganze auf gegenseitiger Sympathie beruht, ist natürlich nichts dagegen zu sagen. Wenn die Frauen es aber tun müssen, weil sie anders kein Auskommen finden würden, dann finde ich das entwürdigend. Das muss man zur Sprache bringen, darüber muss man reden. Und meine Bilder möchten solche Gedanken und Gespräche anstoßen.

B.I.: Was will die Madonna mit dem Schafskopf anstoßen?

D.P.: Der Schafskopf soll natürlich an Dolly erinnern, das erste Klonschaf der Welt. Dank Umweltverschmutzung, Stress und Hektik nimmt die Unfruchtbarkeit bei Frauen heute immer weiter zu. Und was tun wir? Kaufen uns aus der Kinderlosigkeit frei, indem wir die Reproduktionsmedizin bemühen. Doch die ist teuer und steht nur Menschen offen, die das nötige Kleingeld mitbringen. Ich finde das ungerecht – und gefährlich. Denn eigentlich bedeutet es ja nichts anderes, als dass wir uns unsere Kinder selbst „basteln“. Ich frage mich, ob wir das wirklich im Griff haben. Und wo all das noch enden soll … Ich möchte, dass der Betrachter sich das auch fragt.

B.I.: Wie sind diese Fotografien entstanden? Hatten Sie einen Entwurf im Kopf, der schon „fertig“ war und an den Sie sich genau gehalten haben? Oder waren es „Spontangeburten“ aus dem Augenblick heraus?

D.P.: Zunächst einmal: Natürlich mache ich auch l“art pour l“art, also Kunst um der reinen Ästhetik willen. Allerdings hat man uns an dem künstlerisch orientierten Gymnasium, das ich bis zum Abitur besuchte, eingeimpft, dass Kunst immer auch etwas zu sagen haben sollte. Dem fühle ich mich heute noch verpflichtet.
Bei solchen „sprechenden“ Kunstwerken steht am Anfang immer die Idee. Bei der Madonna zum Beispiel wusste ich genau, was ich ausdrücken wollte, und habe dann nach einem Mittel zum Zweck gesucht, das so ausdrucksstark wie möglich sein sollte. Man muss ja sofort verstehen, was ich meine. Es ist wie in der gesprochenen Sprache: Man sucht nach den Wörtern, die zu dem passen, was man ausdrücken will – die Wörter sind nicht für sich allein da, sondern eben Mittel zum Zweck.
Vor der Fotosession liegt der eigentliche Schaffensprozess. Ich lege zunächst eine Mindmap an, meist halb auf Rumänisch, halb auf Deutsch, die sich immer weiter verästelt. Manchmal stehe ich mitten in der Nacht auf, weil ich eine Idee habe, und halte sie in der Mindmap fest, die auf meinem Nachttisch liegt. Sonst ist die Idee weg.
In der Mindmap spiele ich verschiedene Alternativen durch, die ich eine Zeitlang sacken lasse. Bei der Skulptur, an der ich gerade arbeite, hat der gesamte Prozess des Entwurfs fast ein Dreivierteljahr gedauert. Erst wenn der Entwurf für mich stimmig ist, beschäftige ich mich mit der Frage der technischen Realisierbarkeit, für die ich in diesem Fall etwa Draht gewählt habe. Die ästhetische Umsetzung ist bei mir stets der Aussage nachgeordnet – es geht mir nicht vordringlich um das Wie, sondern um das Was.
Die eigentliche Umsetzung passiert dann relativ schnell – ich habe ja schon alles im Kopf und versuche immer, so viel wie möglich wegzulassen und mich auf das Wesentliche zu beschränken. Die Fotosession von human trafficking zum Beispiel dauerte mit Lichttest und allem Drum und Dran etwa zwei bis drei Stunden. Die Fesselung übrigens war nicht genau durchgeplant, sie ergab sich spontan aus dem Augenblick heraus.

B.I.: Wie sind Sie eigentlich zur Kunst „gekommen“? Oder war die Kunst schon immer ein Teil Ihres Lebens?

D.P.: Daheim in Temeswar habe ich von klein auf Kunst gemacht. Mein Vater ist Physiker, ich habe bereits als Fünfjährige in seiner Werkstatt gelötet und mit Draht gearbeitet, Schmuckstücke, kleine Leuchter gefertigt. Daran hat er mich erst neulich wieder erinnert. Ich war immer handwerklich begabt und konnte nähen, noch bevor ich in die Schule kam. Ich kann einfach nicht ohne Kunst; selbst wenn ich eine Wand streiche, überlege ich, wie man sie „künstlerisch“ streichen kann. Das bin einfach ich, ich kann es nicht abstellen und will es auch gar nicht.
Natürlich war es da nur logisch, dass ich nach der Grundschule auf eine weiterführende Kunstschule ging, auf der ich auch mein Abitur gemacht habe. Nach der Schule hat mich dieses ganze Kunstding allerdings gestört. Wir hatten so viel Kunst gemacht, dass ich es irgendwann nicht mehr riechen konnte und damit aufhörte. Ich haderte damit, dass andere Medizin studieren und gutes Geld damit verdienen konnten und ich nicht.

D.P.: 1990 kam ich dann mit meinem Mann, der halber Deutscher ist, und seinen Eltern nach Deutschland. Da wir in Rumänien nach zwölf Jahren Abitur machen, musste ich ein Jahr nachholen und ein Studienkolleg besuchen; ich habe ganz bewusst Mathe als Fach gewählt, weil ich keine Minderwertigkeitskomplexe haben wollte. Aber ich konnte alles, es war also keine Entschuldigung mehr, dass ich nicht Medizin oder ein anderes naturwissenschaftliches Fach studieren konnte … Danach habe ich zunächst als Computertechnikerin gearbeitet.

B.I.: Sie haben also keinen künstlerischen Weg eingeschlagen?
Man muss eine seelische Ruhe haben, um sich künstlerisch ausdrücken zu können. Als wir nach Deutschland kamen, hatte ich die nicht. Ich konnte kein Wort Deutsch und habe lange gebraucht, bis ich fließend sprechen und arbeiten konnte … Deshalb hat es auch gedauert, bis ich wieder zur Kunst gefunden habe, bis ich wieder ich wurde.

B.I.: Sie hatten einen Kultur- und Sprachschock?

D.P.: Nicht nur das. In Rumänien habe ich viel mehr Geld als mein Vater verdient und war gewohnt, andere Summen auszugeben, als sie mir hier zur Verfügung standen. In Heidelberg war Überleben die Priorität – mich hier Wiederfinden. Das war nicht einfach. Aber seitdem ich selbstständig als Webdesignerin tätig bin und zwar weniger Geld verdiene, aber die nötige Ruhe habe, habe ich auch wieder Kapazitäten frei, kann ich mich wieder ernsthafter der Kunst widmen. Es hat gedauert, bis ich mir diese Freiheit nehmen konnte.
Vor drei Jahren habe ich dann angefangen, meine Kunst öffentlich zu zeigen – Gemälde, Skulpturen, Fotografien, Kleidung. Dennoch: Ich habe mich nie als Künstlerin gesehen – das bin einfach ich. Auch meine Kunstwerke bin ich.

B.I.: Gibt es denn eine grundlegende „Message“, die sich durch Ihr Werk zieht? Oder sind es einzelne Themen, die Sie „anfliegen“?

D.P.: Die Themen kommen, wie sie kommen wollen. Ich habe kein Programm.

B.I.: Sie haben bereits Ihr aktuelles Werk erwähnt: „Leid und Schmerz – irreversible Kriegsfolgen“. Es ist eine Drahtskulptur für den österreichischen St. Leopold Friedenspreis in Stift Klosterneuburg. 2014 steht dieser bedeutende Wettbewerb unter dem biblischen Thema „Bin ich der Hüter meines Bruders?“ (1. Mose 4,9). Weshalb haben Sie sich in diesem Fall für eine Skulptur – zumal eine Drahtskulptur – als Beitrag entschieden?

D.P.: Das kommt immer intuitiv. Ich wusste einfach aus dem Bauch heraus, dass es eine Skulptur werden würde – etwas anderes kam gar nicht in Betracht -, die Frage war nur, wie ich sie machen sollte. Zunächst hatte ich das Bild eines am Boden hockenden, hungernden Kindes vor Augen, das mir als Fotografie vorlag; in meiner Skulptur sollte es in eine umgestoßene Mülltonne schauen. Daraus habe ich Skizzen erarbeitet, die den Verlauf des Drahts festlegen. Dann habe ich alles sich eine Weile lang setzen lassen, um zu prüfen, ob es so immer noch für mich stimmt.
Als das der Fall war, habe ich schließlich in vergrößertem Maßstab den Draht für das Grundgerüst der Skulptur zurechtgebogen. Das hat etwa eine Viertelstunde gedauert, ich wusste ja schon in meinem Kopf, wie ich es anstellen wollte. Ich begleite übrigens das Projekt mit einer Fotoserie, in der ich die einzelnen Entwicklungsstadien dokumentiere. Ich glaube nämlich, dass nicht nur die fertige Skulptur interessant ist, sondern auch der Weg, wie ich dorthin komme. Insgesamt habe ich etwa zwei Wochen für den handwerklichen Fertigungsprozess gebraucht.

B.I.: Wann werden wir wissen, ob Sie erfolgreich waren?

D.P.: Ende April habe ich ein Bild von der Skulptur eingereicht; üblicherweise erfährt man dann im August, ob man nominiert ist oder nicht. Am 26. September findet die Vernissage zur Ausstellung aller nominierten Kunstwerke statt. Wenn man nominiert ist, hat man eigentlich schon gewonnen, denn man ist ja ausgestellt. Das ist mein Ziel. Obwohl ich natürlich auch gern gewinnen würde. (Lacht.)

B.I.: Noch eine letzte Frage: Wie würden Sie Ihre eigene Kunst beschreiben?

D.P.: Meine Kunst wirkt unmittelbar. Sie ist klar, deutlich, puristisch, ohne Schnörkel und Schnickschnack und darf – sie soll sogar! – wehtun. Und sie soll etwas mit dem Betrachter „machen“, sie soll ihn berühren. Ich bediene mich gängiger Klischees, um etwas bei ihm auszulösen. Denn Klischees per se sind ja nicht schlecht, sie entstehen aus unseren Erfahrungen und helfen uns, Dinge einzuordnen, Arbeitshypothesen zu bilden … Das Wichtigste für mich ist und bleibt jedenfalls immer: Zu meiner Kunst muss ich stehen können. Auch und gerade, wenn sie unbequem ist.
Das Interview führte Barbara Imgrund (www.barbara-imgrund.de)

Über die Autorin

Barbara Imgrund hat in München Germanistik studiert und ist seit 1998 selbstständig tätig als Lektorin, literarische Übersetzerin, Schreibcoach, Autorin und Journalistin. Neben guten Texten und der Kunst gilt ihre besondere Liebe den Tieren und der Natur. Diese Neigungen verbindet sie in diversen Publikationen und in ihrem Blog die wüsten:monologe, in dem sie regelmäßig über ihre Erfahrungen als Volontärin im afrikanischen Natur- und Tierschutz schreibt. Denn sie findet, dass diese Erde zu schön ist, um kommentarlos zuzusehen, wie wir sie ruinieren.
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Künstlerin

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