Ohrfeige eines Nachbarn begründet keine fristlose oder ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses

Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen, zum Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 20. Mai 2014 – 9 S 30/14 -, juris.

Ausgangslage:

Wenn der Mieter gegenüber dem Vermieter oder gegenüber dessen Beauftragten, wie zum Beispiel Hausmeistern und Mitarbeitern der Hausverwaltung, oder zum Beispiel gegenüber Verwandten handgreiflich wird, steht die fristlose oder ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses schnell im Raum. Die Gerichte kennen hier regelmäßig kein Pardon. Hintergrund: es ist keinem Vermieter zumutbar, sich der Gefahr künftiger Körperverletzung auszusetzen.

Eine andere Bewertung kann sich ergeben, wenn die Körperverletzungen Dritte, zum Beispiel andere Mieter des Hauses, betreffen. Dies zeigt ein Fall, den das Landgericht Karlsruhe entschieden hat. Ein Mieter hatte einen anderen Mieter bei einer Auseinandersetzung geohrfeigt.

Die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe:

Zu Gunsten des Mieters hat das Landgericht Karlsruhe berücksichtigt, dass es zwischen den Mietern bereits im Vorfeld der Ohrfeige Auseinandersetzungen mit wechselseitigen Beleidigungen gegeben hat. Außerdem war die Ohrfeige zwar schmerzhaft, sichtbare Verletzungen bestanden nicht. Das Landgericht: „Eine fristlose oder eine ordentliche Kündigung darauf nicht gestützt werden, dass der Mieter einem anderen Mieter im Haus bei einer Auseinandersetzung eine Ohrfeige versetzt hat, Dies gilt jedenfalls dann, wenn zwischen den Mietern bereits seit längerem Streitigkeiten mit wechselseitigen Beleidigungen bestehen. Dann bedarf es vor einer Kündigung wegen eines tätlichen Vorfalls jedenfalls einer Abmahnung. Denn es ist auch bei Tätlichkeiten nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Interessenabwägung vorzunehmen, in die sämtliche Umstände des Einzelfalls einzustellen ist.“ (LG Karlsruhe, Urteil vom 20. Mai 2014 – 9 S 30/14 -, juris).

Bewertung:

Das Urteil ist grenzwertig und sicher sehr auf den Einzelfall bezogen. Der Vermieter wollte den Mieter wohl auch noch aus anderen Gründen loswerden, was dem Landgericht möglicherweise nicht gefiel. Generell muss jeder Mieter, der gegenüber anderen Hausbewohnern handgreiflich wird, eine Kündigung wegen Störung des Hausfriedens befürchten. Aus dem Vertragsverhältnis mit dem anderen Mieter kann der Vermieter sogar gezwungen sein, entsprechend vorzugehen. Dies scheint mir vom Landgericht nicht hinreichend gewürdigt zu werden. Dies zumal die Gerichte regelmäßig Beleidigungen als Kündigungsgrund nicht ausreichen lassen, Körperverletzungen schon. Dies kann bei einer Körperverletzung des Nachbarn eigentlich nicht so viel anders sein.

Fachanwaltstipp Vermieter:

Wenn Streitigkeiten unter ihren Mietern ausbrechen, sollten Sie sich nicht vorschnell positionieren. Fordern Sie die beteiligten Mieter zu einer Stellungnahme auf. Ermitteln Sie gegebenenfalls auf eigene Faust und befragen Sie mögliche Zeugen. Im Zweifel sollte man lieber beide Mieter abmahnen, statt sich auf einen unsicheren Räumungsprozess einzulassen.

Fachanwaltstipp Mieter:

Vorsicht: die Gerichte sind sehr schnell bei der Annahme eines Grundes für eine fristlose bzw. ordentliche Kündigung, wenn man gegenüber dem Vermieter handgreiflich wird. Wem die Hand trotzdem ausgerutscht ist, der kann sich möglicherweise über eine sofortige Entschuldigung und entsprechende tätige Reue noch retten. Jedenfalls sind solche Bemühungen bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung vom Gericht zu berücksichtigen. Das bedeutet, nicht erst auf die Kündigung warten, sondern sofort und nachweisbar tätig werden. In jedem Fall ist solches reuige Verhalten bei Beleidigungen des Vermieters oder seinem Beauftragten hilfreich.

6.2.2015

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