Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser: Wasservorkommen in Deutschland teils in katastrophalem Zustand

– Bioverband legt zum Weltwassertag vierte Ausgabe des „Schwarzbuchs Wasser“ vor
– Pestizidnachweise haben deutlich zugenommen: In Niedersachsen 60,9 % aller Grundwassermessstellen mit Pestiziden oder deren Metaboliten verunreinigt, in Bayern 22,5

Neumarkt in der Oberpfalz, 15. März 2022. Die natürlichen Wasservorkommen in Deutschland sind stark gefährdet und befinden sich in einem teils katastrophalen Zustand. Zu diesem Ergebnis kommt die Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser e. V. im aktuellen Teil des „Schwarzbuchs Wasser“, einer Übersichtsstudie zum Zustand des deutschen Grund- und Leitungswassers, das der Bioverband heute anlässlich des Weltwassertags am 22. März 2022 veröffentlicht. Dieser steht 2022 unter dem passenden Motto „Groundwater: Making the Invisible Visible“.

Obwohl viele konkrete Gefahren für unser Wasser wie eine anhaltend hohe Einträge von Nitrat und Pestiziden sowie großflächige Verunreinigungen durch perfluorierte Chemikalien und Arzneimittelrückstände hinlänglich bekannt sind, wurden diese bisher nicht gebannt. So weisen deutschlandweit aktuell allein 26,7 % aller Grundwassermessstellen im Nitratmessnetz Nitratkonzentrationen über dem gesetzlichen Grenzwert auf. Auf Landesebene sind beispielsweise in Bayern rund 22,5 % des für das Leitungswasser genutzten Wassers mit Pestiziden verunreinigt, in Niedersachsen sind 60,9 % aller Grundwassermessstellen mit Pestiziden oder deren Metaboliten belastet. Hinzu kommt eine immer noch lückenhafte und teils wenig aktuelle amtliche Datenlage, die das ganze Ausmaß der Grundwasserverschmutzung nur erahnen lässt.

Dr. Franz Ehrnsperger, Vorsitzender der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser: „Die inzwischen vierte Publikation unseres Schwarzbuchs Wasser zieht ein wenig erfreuliches Resümee. Die Bedrohung unseres wichtigsten Lebensmittels durch Schadstoffe der Intensivlandwirtschaft, Industrie und Pharmazie sind in den vergangenen Jahren nicht kleiner, sondern in vielen Bereichen durch neue Messmethoden nur deutlicher sichtbar geworden. Dabei ist das ganze Ausmaß durch mangelhafte Datenlage aber immer noch nicht voll erkennbar. Dennoch ist die Lösung für diese Missstände allen Akteuren seit Jahren bekannt: Nur wenn es gelingt, flächendeckend eine wasser- und bodenschonende Bio-Landwirtschaft voranzubringen, kann unser wichtigstes Lebensmittel auch für künftige Generationen bewahrt werden. Dafür setzen wir uns als Bio-Wasserbauern mit aller Kraft ein.“

Manfred Mödinger, Autor der Studie und Vorsitzender des Qualitätsausschusses der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser: „Das Schwarzbuch Wasser ist leider ein weiterer trauriger Beleg dafür, dass wir in Deutschland mit Blick auf die Wasserqualität nur scheinbar im gelobten Land leben: Es existiert bundesweit noch nicht einmal eine einheitliche und präzise Regelung für ein umfassendes Monitoring der Wasserqualität. Vielmehr haben einzelne Bundesländer seit rund einer Dekade keine aktuellen Informationen zum Wasser mehr mitgeteilt. Zudem nimmt die Zahl der Messstellen und die Häufigkeit der Analysen ab. Das muss sich dringend ändern, denn nur wenn man die Probleme klar und vollumfänglich benennt, kann man wirkungsvoll etwas dagegen tun. Einfach nur die Augen vor der Realität zu verschließen, reicht nicht, damit etwas besser wird. Es geht um die Gesundheit der Menschen und die Vermeidung von erheblichen Folgekosten für die Allgemeinheit.“

Zur weiteren Information: Zentrale Auszüge aus den Ergebnissen
Die neue Ausgabe des „Schwarzbuchs Wasser“, das deutschlandweit aktuelle Daten zur Wasserverschmutzung aus Bund und Ländern kompakt zusammenfasst, ergänzt und aktualisiert die ersten drei Ausgaben der Publikation. Die neue Ausgabe liefert jüngste Daten zu den Bundesländern Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg und Berlin. Gleichzeitig zeigt das Schwarzbuch, dass die Datenlage zum Wasser in Deutschland immer noch sehr lückenhaft, je nach Bundesland teilweise bereits mehrere Jahre alt ist oder erst mit jahrelanger Verzögerung publiziert wird.

1. Pestizide
– Nach Angaben des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit waren im Jahr 2020 in Deutschland 980 Pestizide zugelassen und damit so viele wie niemals zuvor. Diese Stoffe wandern teils Jahrzehnte durch den Boden, bis sie im Grundwasser ankommen. Deshalb wird aufgrund der aktuell hohen Zahl an Pestiziden und den hohen Ausbringungsmengen auf Jahre mit deutlich steigenden Verunreinigungen zu rechnen sein.
– In Niedersachsen hat der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz auf Basis von Daten aus den Jahren 2008 bis 2016 insgesamt 348 Pestizide sowie 67 Abbauprodukte analytisch erfasst. In 60,9 % aller Messstellen wurden insgesamt 164 verschiedene Pestizide bzw. deren Abbauprodukte nachgewiesen. An zahlreichen Messstellen wurden bereits seit Jahrzehnten verbotene Stoffe im Wasser gefunden.
– In Bayern waren 22,5 % des für die Leitungswasserherstellung genutzten Wassers im Jahr 2018 mit Pestiziden belastet. In der Oberpfalz, in Mittelfranken und in Niederbayern waren jeweils sogar rund 40 % des Wassers betroffen. Mit Blick auf das Grundwasser wurden in den Jahren 2017/2018 an rund 34 % der Messstellen Pestizide nachgewiesen, darunter ebenfalls schon seit Jahrzehnten verbotene Stoffe.
– In Baden-Württemberg wurden nach Angaben der Landesanstalt für Umwelt in den Jahren 2018 und 2019 an 14,5 % der Messstellen Pestizide oder deren Abbauprodukte gefunden. Damit zeigte sich zwar eine rückläufige Tendenz zu vorherigen Beprobungen, Stoffe wie das weitverbreitete Glyphosat oder Chloridazon wurden aber gar nicht untersucht.

2. Nitrat:
– In Deutschland ist die Nitratbelastung auf konstant hohem Niveau. Erwartete Entlastungen u. a. durch die Stilllegung besonders verunreinigter Brunnen sind in den Messergebnissen des Wassers kaum erkennbar. Bei der jüngsten Datenerhebung in den Jahren 2016 bis 2018 wiesen 26,7 % aller Messstellen Nitratkonzentrationen über den geltenden Leitungswassergrenzwerten von 50 mg/l auf. In der Vorperiode 2012 bis 2015 war dies bei 28,2 % der Messstellen der Fall.
– In Bayern lagen im Jahr 2018 beim Wasser, das für die Leitungswasserherstellung genutzt wird, 19,9 % der Messstellen über dem Wert von 25 mg/l und 3,4 % über dem für Leitungswasser geltenden gesetzlichen Grenzwert von 50 mg/l. Das sind trotz Stilllegungen nahezu dieselben Werte wie bei der Messung im Jahr 2012. Beim Grundwasser lagen 38,2 % über dem Wert von 25 mg/l und 10,2 % über dem Wert von 50 mg/l.3
– In Baden-Württemberg lagen 2019 genau 8,8 % aller Messstellen über dem Leitungswassergrenzwert von 50 mg/l. Der Wert ist seit einem Höchststand im Jahr 2013 leicht rückläufig. Beim Teilmessnetz „Landwirtschaft“, aus dem städtische und naturräumliche Bereiche herausgerechnet werden, lagen 18,5 % der Messstellen über dem Grenzwert.

3. Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFCs)
– In Baden-Württemberg wird das Grundwasser seit dem größten deutschen Verunreinigungsskandal mit der Industriechemikalie PFC auf diesen Schadstoff untersucht. Damals wurden Flächen in den Landkreisen Rastatt und Baden-Baden und das darunterliegende Grundwasser mit PFC kontaminiert. Die Untersuchungen zeigen in 45,2 % aller Grundwassermessstellen im Bundesland Nachweise von PFC.
– Bezogen auf das Bundesgebiet fehlen vergleichbare Analysen. Erst ab 2026 müssen PFCs im Leitungswasser in der EU einheitlich untersucht werden.

4. Industriechemikalien und Arzneimittelrückstände im urbanen Raum
– In der bundesweit in dieser Hinsicht bestüberwachten Großstadt Berlin finden sich einer aktuellen Auswertung für die Jahre 2019/2020 zufolge Rückstände von Tensiden, Korrosionsschutz-, Frostschutz-, Reinigungs- und Desinfektionsmitteln im Leitungswasser. Leicht gestiegen ist gegenüber vorherigen Analysedaten aus der Bundeshauptstadt die Anzahl nachgewiesener Arzneimittel, darunter allein 19 verschiedene Substanzen im Wasserwerk Tegel, das die Trinkwasserversorgung vieler Haushalte in der Stadt sicherstellt.

5. Beispiele für direkte Folgekosten
– Niedersachsen bezieht 85 % seines Leitungswassers aus Grundwasser. Angesichts der Verunreinigung mit Pestiziden durch Intensivlandwirtschaft ist der Einbau von Aktivkohlereinigungsanlagen in Wasserwerken zunehmend notwendig. Dies führt zu Mehrkosten für die Allgemeinheit, in den betroffenen Kommunen Weener und Grafschaft Hoya beispielsweise zu Mehrkosten von rund 25 Cent pro Kubikmeter Wasser.
– In Baden-Württemberg wurden Wasserwerke in den Landkreisen Rastatt und Baden-Baden aufgrund der Verunreinigung durch PFCs mit Aktivkohlefiltern nachgerüstet. Diese Maßnahmen erhöhten den Wasserpreis um 58 Cent pro Kubikmeter. Zudem belaufen sich die Kosten für die Sanierung einer kontaminierten Fläche in Mittelbaden von 1.188 ha Schätzungen zufolge auf 3,3 Mrd. Euro.
– In Berlin wird aktuell das erste Großklärwerk nachgerüstet, um Chemikalien und Arzneimittelrückstände aus dem Wasser zu filtern. Die Kosten belaufen sich auf rund 48 Mio. Euro. Der Maßnahme war ein mehrjähriger Test zu verschiedenen Aufbereitungsverfahren vorausgegangen.

Die neue Studie, eine Übersichtsgrafik zur freien Verwendung sowie die ersten drei Teile des Schwarzbuchs stehen unter http://www.bio-mineralwasser.de/presse/downloads.html zum Download bereit.

Die Qualitätsgemeinschaft Biomineralwasser e.V. setzt sich seit 2008 ein für einen behutsamen Umgang mit unserem wichtigsten Lebens-Mittel, dem Wasser. Sie wacht über die Richtlinien für das von ihr vergebene Qualitätssiegel „Bio-Mineralwasser“ und sensibilisiert Branche und Verbraucher für die Problematik der zunehmenden Wasserverschmutzung. Mitglieder der Qualitätsgemeinschaft sind u.a. die Bio-Anbauverbände Bioland, Demeter, Naturland und Biokreis sowie der Bundesverband Naturkost Naturwaren und die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller. Um das Bio-Mineralwasser-Siegel der Qualitätsgemeinschaft zu erlangen, müssen Mineralbrunnen den Verbrauchern ein Höchstmaß an Qualität und Transparenz sowie Nachhaltigkeit garantieren. Die dafür geltenden Richtlinien werden laufend an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst. Ihre Einhaltung überwacht die staatlich zugelassene Biokontrollstelle BCS Öko-Garantie GmbH. Als bundesweit erstes Bio-Mineralwasser wurde bereits 2009 das „BioKristall“ des Bio-Pioniers Neumarkter Lammsbräu zertifiziert, es folgten Ensinger in Baden-Württemberg (Ensinger Gourmet), Voelkel in Niedersachsen (BioZisch-Limonade), Lammsbräu (now-Limonade), die Rheinsberger Preussenquelle aus Brandenburg, die Johann Spielmann GmbH aus Nordrhein-Westfalen (Landpark Bio-Quelle), Bad Dürrheimer aus Baden-Württemberg, Labertaler Heil- und Mineralquellen aus Bayern (Stephanie Gourmet), Carolinen Brunnen aus Nordrhein-Westfalen, Vilsa Brunnen aus Niedersachsen, die Getränkegruppe Hövelmann aus Nordrhein-Westfalen (Urquell Bio-Mineralwasser, Rheinperle Bio Limo leicht, Römerwall NaturBrunnen), die Molkerei Gropper aus Bayern (rieser Urwasser) sowie das Start-Up Untouched aus Hamburg.
Mehr Informationen über Bio-Mineralwasser finden Sie unter www.bio-mineralwasser.de

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Bildquelle: Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser e. V.