Widerrufsrechte – Bundesgerichthof Urteil

– Urteil vom 22.05.2012 II ZR 148/11 bringt vertragliche Widerrufsrechte getäuschter Anleger erheblich ins Wanken –

Widerrufsrechte - Bundesgerichthof Urteil

Rechtsanwältin Jacqueline Buchmann, Dr. Schulte und Partner, Berlin

Die Rechtsanwälte Dr. Schulte & Partner vertreten häufig geschädigte Kapitalanleger in gebündelten Verfahren wie aktuell im Bereich SAM AG oder Schrottimmobilien. Die hier besprochene Gerichtsentscheidung ist von erheblicher Bedeutung für die tägliche Rechtspraxis: Im zu entscheidenden Fall trat der Kläger im September 2005 einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Form eines geschlossenen Fonds bei. Im Beitrittsformular unterschrieb der Kläger folgende Widerrufsbelehrung:

“ … Ich bin an meine auf den Abschluss der oben genannten Beitrittserklärung gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn ich sie binnen zwei Wochen widerrufe. Mit dem Widerruf meiner Willenserklärung kommt auch meine Beteiligung an der M. GbR nicht wirksam zustande…“

Gerichte stimmen Widerruf zu

Nach anwaltlicher Beratung widerrief der geschädigte Anleger diese Beteiligung im August 2009 unter Hinweis auf ein gesetzlich und vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht. Mit seiner Klage begehrte der Kläger u.a. die Festsstellung, dass der Beitrittsvertrag mit der Beklagten durch seinen Widerruf beendet worden ist.

Sowohl das erstinstanzliche als auch das zweitinstanzliche Gericht hatten der Klage mit der Begründung stattgegeben.

„Der Kläger habe seinen Beitritt zu der Beklagten wirksam widerrufen. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Beitritt, wie zwischen den Parteien streitig, in einer sogenannten Haustürsituation erklärt worden sei mit der Folge des Bestehens eines gesetzlichen Widerrufsrechts. Denn die Beklagte habe dem Kläger ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt, hinsichtlich dessen nach dem Inhalt der Widerrufsbelehrung dieselben Belehrungsvoraussetzungen zu erfüllen gewesen seien wie bei einem gesetzlichen Widerrufsrecht. Diese Belehrungsvoraussetzungen seien nicht erfüllt mit der Folge, dass der Widerruf des Klägers nicht verfristet, sondern wirksam gewesen sei.“

Bundesgerichtshof anderer Meinung

In der Revisionsinstanz wurde die Klage jedoch überraschend zurückverwiesen. Der Bundesgerichtshof (BGH) führt aus, dass ein Widerrufsrecht, welches keine Beschränkung darauf enthält, dass es nur in gesetzlich vorgesehenen Fällen gelten soll, ein vertragliches Widerrufsrecht enthalten kann. Allerdings sei im vorliegenden Fall der Widerruf verfristet gewesen, da an eine vertragliche Widerrufsbelehrung nicht die gleichen Belehrungspflichten wie an ein gesetzliches Widerrufsrecht zu stellen sind.

Diese Entscheidung des BGH schwächt den Schutz des Anlegers massiv. Dieser Ansicht ist auch Dr. Schulte von der Rechtanwaltskanzlei Dr. Schulte und Partner in Berlin: „Es ist nicht gerechtfertigt, an ein vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht geringere Anforderungen zu stellen, als an ein gesetzliches Widerrufsrecht. Entscheide sich ein Unternehmer, ein vertragliches Widerrufsrecht einzuräumen, müsse er sich auch an die Mindestanforderungen einer Belehrung halten.“

Diese Mindestanforderungen regeln die §§ 312, 355, 360 BGB für das gesetzliche Widerrufsrecht, erklärt Dr. Schulte. Die Frist für den Widerruf beginnt daher erst dann zu laufen, wenn der Unternehmer den Verbraucher über sein Widerrufsrecht, insbesondere die Rechtsfolgen aufgeklärt hat. Dabei muss die Widerrufsbelehrung gemäß § 360 BGB deutlich gestaltet sein und auf das Bestehen des Widerrufsrechts, die Empfängeranschrift, Dauer und Beginn und darauf hinweisen, dass es einer Begründung des Widerrufs nicht bedarf.

Rechtsanwältin Buchmann von Dr. Schulte und Partner: „Maßstab kann hier nur der Empfängerhorizont des Verbrauchers sein, dem das Widerrufsrecht eingeräumt wird. Dieser würde aber in der Regel nicht zwischen vertraglichem und gesetzlichem Widerrufsrecht unterscheiden, sondern sich vielmehr darauf verlassen, dass er in jedem Fall verbrauchergerecht über sein Widerrufsrecht – gleich ob vertraglich oder gesetzlich – aufgeklärt wird. Ein vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht würde praktisch wertlos für den Verbraucher, wenn er die notwendigen Informationen nicht beanspruchen kann und somit nicht weiß, wann, wie und wo er sein Recht geltend machen kann.“

„Relevant wird das Problem insbesondere, wenn geschädigte Anleger die Beitrittserklärung im Büro des Vermittlers gezeichnet haben und eine gesetzlich definierte Überrumplungssituation schwer nachweisbar ist und es daher gerade auf ein vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht ankommt“, erklärt Rechtsanwalt Tintemann. Verbraucher sollten sich in jedem Fall an einen fachkundigen Rechtsanwalt wenden und ihre Rechte sorgfältig prüfen lassen.

i.S.d.P.:

Jacqueline Buchmann
Rechtsanwältin

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